Wer ich bin

Die wichtigste Frage ist für mich: Was wohl die Welt im Innersten zusammenhält? Daher war schon immer, „solange ich denken kann“, das Nachdenken eine meiner typischsten Beschäftigungen. So sagte denn auch mal der Kinderarzt zu meiner Mutter, als ich noch ziemlich klein war: „Der Martin denkt zuviel.“ Das hat mir natürlich auch wieder zu denken gegeben. Kann man „zu viel“ denken?

Heute weiß ich: nein, man kann nicht zu viel denken. Denken bedeutet Reichtum, den einem niemand wegnehmen kann. Es bedeutet auch, ganz bei sich zu sein, in seinen inneren Grenzen, und diese gleichzeitig zu sprengen. Diese innere, stille, ja auch abenteuerliche Welt liebe ich, und gleichzeitig habe ich immer den Wunsch, davon etwas mitzuteilen, auf meine Weise etwas in die Welt zu bringen, ein Werk zu schaffen.

Denn es beflügelt mich, wenn ein Gedanke „Wirklichkeit“ wird, also etwas bewirkt, zum Beispiel einen Aha-Moment bei anderen Menschen. Mein Material und Medium ist deshalb in erster Linie das Wort: Lesen und Schreiben als zwei Elemente eines einzigen kreativen Prozesses hat einen hohen Stellenwert in meinem Leben. Dazu kommt die Erfahrung von Spiritualität: dass es mehr gibt zwischen Himmel und Erde, als man mit Worten allein ausdrücken kann. Eher schon mit Musik.

Wäre es zu trivial, wenn ich auf die Frage: Was tust Du eigentlich den lieben langen Tag? antwortete: Suchen! Wäre es nur eine Ausrede, eigentlich nie auf den Punkt gekommen zu sein? Das ist wohl immer mal wieder der innere Zweifel, der alle befällt, die wie ich Generalisten und nicht Spezialisten sind – und sein müssen, weil es einfach dem Naturell entspricht. So auch meinem.

Nein, es ist keine Ausrede, sondern ich habe als Motor dieser Suche etwas vorzuweisen: Ich möchte mir noch nicht sagen, dass ich „auf den Punkt gekommen“ bin. Ich möchte mir „kindliche“ Offenheit bewahren und das Staunen, das zu immer neuem Lernen motiviert. So mag ich in bestimmten Lebensabschnitten aktiv und zugewandt, in anderen eher innerlich und zurückgezogen gewirkt haben. Und ich weiß, dass das in Zukunft nicht anders sein wird.

Aus diesem Suchen resultiert immer wieder ein Tun: Fragmente, die scheinbar unverbunden sind, zu einem stimmigen Bild zusammensetzen. Dass ich etliche Gegensätze in mir vereine, empfinde ich dabei als kreatives Potential. Ich bin ein Mensch, der gern Erkenntnisse gewinnt und mit anderen teilt. Meinen Wissenschatz kann ich vor allem deshalb nutzen, weil ich meine Grenzen kenne und Humor habe. Zwei Leitsprüche begleiten mich kontinuierlich: „Erkenntnis ist unabhängig von Geschwindigkeit“ und „Uneigennützig lernte ich und neidlos gebe ich weiter“.

Damit ist schon manches gesagt. Natürlich habe auch ich einen Lebenslauf mit seinen einzelnen Etappen, die eine länger, die andere kürzer. Ein Blick darauf könnte zu dem Schluß führen: Er hat doch oft einen Wechsel vollzogen. Wußte er nicht, was er wollte? Vielleicht. Es könnte alles aber auch ganz anders sein. Ich bin noch nicht auf den Punkt gekommen, weil dann ja die Suche vorbei wäre. Und das fände ich schade…

Wie mein Leben bisher gelaufen ist