Hat man erstmal sein Thema gefunden, dann begegnet es einem plötzlich auf Schritt und Tritt. Es ist sind Resonanz-Ereignisse, einerseits ein Erkennen dessen, was man selbst thematisiert hat, anderseits ein Erkennen in sich selbst, dass man Dinge, die zuvor im Außen lagen, im Inneren zur Sprache gebracht hat.
Ein solches Resonanz-Erlebnis wurde mir vor Kurzem zuteil, als ich mich mit Texten von Erik H. Erikson beschäftigte. Dieser weltberühmte Entwicklungspsychologe hat sich vor allem der Erforschung der Lebensspanne gewidmet. Wie schaffe ich es, am Anfang des Lebens Urvertrauen und am Ende des Lebens Weisheit zu erlagen, und welche Stationen liegen zwischen diesen beiden Polen?
Wodurch komme ich zum Bejahen meines Lebens, zu einer „Ich-Integrität“? Welche Interaktionen mit anderen Menschen und meiner Umwelt muß ich bewältigen? Erikson schreibt dazu in Identität und Lebenszyklus (dt. Ausgabe Suhrkamp 1973, S. 118f.; engl. Original erschienen 1959):
„Nur, wer einmal die Sorge für Dinge und Menschen auf sich genommen hat, wer sich den Triumphen und Enttäuschungen angepaßt hat, nolens volens der Ursprung anderer Menschenwesen und der Schöpfer von Dingen und Ideen zu sein – nur dem kann allmählich die Frucht dieser sieben Stadien heranwachsen. Ich weiß kein besseres Wort dafür als Integrität.“
Interessant: Jetzt offenbarte sich eine tiefere Sinnebene meines Mottos, das ich ganz intuitiv gewählt hatte. Erikson bechreibt sehr gut, wie sich im Zusammenspiel von Menschen, Ideen und Dingen Achtsamkeit und Kreativität entwickeln. Wie man es schafft, dass Sorgen bedeutet: Verantwortung übernehmen, nicht an den Umständen verzweifeln. Ja, wie diese drei – Menschen, Ideen und Dinge – die irdischen Ingredienzen unseres Lebens sind. Wenn wir sie ernst nehmen, dann gedeiht auch unsere eigene Person und wir können Früchte ernten.
Die Welt erklärt sich aus ihren alltäglichsten Erscheinungen. Das hört sich trivial an, ist es aber nicht. Denn allzuoft suchen wir konstruierte, weit hergeholte Welterklärungen. Diese sind dann nicht komplex, sondern kompliziert. Erikson war sehr dafür, Alltagsworte zu verwenden, um unseren tiefen Überzeugungen Ausdruck zu verleihen. Das ist etwas ganz anderes, als plumpen Vereinfachungen das Wort zu Reden. Es ist ein Plädoyer dafür, auf die menschliche Erfahrung, die in der Sprache liegt, zu vertrauen. Bevor wir komplizierte begriffliche Konstrukte schaffen, die wir dann wiederum wortreich erklären müssen, sollten wir den Reichtum und die Integrität der „einfachen“ Sprache entdecken.